26. November 2022, Festsaal Albisgütli Zürich, 19.29 Uhr: Wir sitzen alle auf unseren Plätzen hinter dem Vorhang und stimmen, so wie wir es in der Probe geübt haben, ein. Für mich auf dem Altsaxophon bedeutet das zuerst das mittlere Fis, dann das G. Eine gewisse Anspannung ist spürbar – aber es ist vor allem Vorfreude. Vorfreude, weil das Jahreskonzert unser Lohn für ein ganzes Probejahr ist. Wir dürfen unseren Fans und Familien zeigen, was wir in einem ganzen Jahr einstudiert haben – unsere Show für Avenches inklusive. Die vielen Stunden (vor allem die letzten kurz vor dem Konzert) sollen heute Früchte tragen. Einige Stücke beherrsche ich besser als andere, meist jene, die mir sehr gefallen. Ich fühle mich gut vorbereitet, weiss, was kommt, bin konzentriert und gespannt, wie das Ganze beim Publikum ankommen wird.
19.32 Uhr: Der rote Vorhang geht auf. Zum ersten Mal sehen wir in den Saal. Und er ist praktisch bis auf den letzten Platz gefüllt. Ich spiele an jenem Tag ungefähr das 25. Jahreskonzert mit der Polizeimusik Zürich-Stadt. Und dennoch geniesse ich diesen ersten Moment immer noch sehr. Der Moment, in dem wir zum ersten Mal die Aufmerksamkeit des Publikums kriegen, der erste Applaus, das erste Armeheben des Dirigenten. In diesem Jahr starten wir mit dem Astronauten-Marsch, einem Konzertmarsch, arrangiert von unserem Dirigenten Werner Horber. Die ersten Töne eines Jahreskonzerts werden bei mir immer mit einer Gänsehaut begleitet. Es wird an diesem Abend nicht die letzte bleiben.
20.47 Uhr: Die Pause von 20 Minuten scheint jedes Mal (zu) kurz. Mit Lose (ver-)kaufen, Angstbisi-Anstehen und husch was Trinken vergeht die Zeit immer sehr schnell. Und schon sitzen wir wieder hinter dem Vorhang und stimmen ein. Der zweite Konzertteil steht unter dem Motto «Filmmusik und Erlebnisse». Wir spielen bekannte Melodien von Elvis, schwelgen in Kindheitserinnerungen bei den Filmmusik-Klassikern der Bud Spencer und Terence Hill Filme und lassen das Avenches Tattoo nochmals Revue passieren. Auf der Leinwand hinter uns werden jeweils Bilder und Filmausschnitte gezeigt, die wir selbst nie zu sehen bekommen. Und dennoch: In dem Moment, in dem in meinem Rücken die Bilder unserer Show in Avenches laufen, kriege ich wieder – Sie ahnen es! – Gänsehaut. Weil mich das Spielen dieser Melodien wieder in die Arena versetzt und das zufriedene Lächeln des Dirigenten das Übrige tut.
21.50 Uhr: Und es ist vorbei, das Jahreskonzert 2022 ist Geschichte. Ich bin zufrieden mit mir, auch wenn die vielen Kreuze und Bs heute Abend nicht meine Freunde waren. Und so stossen wir noch ein paar Mal zusammen auf das Konzert und das ganze Jahr an. Zuerst im Albisgütli, danach in den Proberäumen der SJMUZ und der VBZ-Musik (danke für das Gastrecht übrigens!). Es ist knapp nach 3 Uhr, als die Letzten von uns die Lichter löschen und die Türe abschliessen. Ein langer, anstrengender, fordernder, aber sehr gelungener Tag geht zu Ende. Danke unserem Publikum für den tollen Applaus und danke meinen Musiggspänli für das Miteinander. Wir sehen uns im nächsten Jahr!